Der Kirrlacher Musikverein feiert vom 14. bis 17.7.2006 sein 100-jähriges
Bestehen. Blaskapellen aber gab es in Kirrlach schon weit vor dem Jahr 1906.
Denn der Kirrlacher Stabstrompeter Franz Josef Steinle vom 2. Badischen
Dragonerregiment in Bruchsal gründete in Kirrlach 1861 die erste Kapelle mit
elf heute noch namentlich bekannten Blasmusikern. Eine formelle
Vereinsgründung wurde über vier Jahrzehnte durch die musikalischen
Rivalitäten der beiden Großfamilien Vogelbacher und Lehn verhindert, die
jeweils aus ihrem Familienclan Musikkapellen bildeten. Erst Lorenz
Vogelbacher, der „Vater“ der Kirrlacher Blasmusik, verstand es, die
Kirrlacher Musiker zu vereinen und dem Zusammenschluss Statuten zu geben,
mit denen dann die Anmeldung als Verein beim Bezirksamt Bruchsal erfolgte.
Trotz
des Ersten Weltkrieges wuchs der Musikverein unter der Leitung von Vogelbacher kontinuierlich. Er hatte beim 25-jährigen Bestehen 1931 bereits
24 aktive Musiker, die sich zutrauten, Ouvertüren zu bekannten Opern und
Operetten zu spielen. Bei der Festeröffnung 1931 wurde z. B. unter großem
Beifall die Ouvertüre zu „Zar und Zimmermann“ von Lortzing aufgeführt. Die
Laienmusiker verstanden es auf diese Weise, klassische Musik ins Dorf zu
holen, die die ländliche Bevölkerung sonst live nicht gehört hätte.
Während der nationalsozialistischen Diktatur wäre es fast soweit gekommen,
dass der Kirrlacher Musikverein sich aufgelöst und es „keine Musik mehr im
Dorf“ gegeben hätte, wie es im Protokollbuch steht. Auf der einen Seite
standen die Traditionalisten, die am hergebrachten klassischen Repertoire
aus Opern- und Operettenmelodien festhalten wollten und auf der anderen
Seite agitierten die Anhänger der neu propagierten NS- Volksgemeinschaft für
Aufmärsche, Paraden und sonntägliche Märsche mit der SA. Der Krieg löste das
Problem auf seine Weise; die musikalischen Aktivitäten wurden notgedrungen
auf ein Minimum reduziert. Aber immerhin schaffte man es, im Gasthaus zum
„Ochsen“ im Kriegsjahr 1941 das Jubiläum mit einem zweistündigen Konzert zu
feiern, da zufälligerweise genügend Musiker Heimaturlaub hatten.
Nach dem Krieg hatte der Musikverein keine Probleme, die Wiederzulassung als
Verein zu erhalten. Denn schließlich hatte sich der Verein während der
Nazi-Zeit selbst fast lahmgelegt und sich mit Ausnahme der verordneten
Märsche mit der örtlichen SA immer recht zivil gezeigt. Der
Zulassungskommission wurde was unverdächtig Ausländisches, nämlich der „Der
Kalif von Bagdad“ vom französischem Komponisten Francois-Adrien Boieldieu
vorgespielt. Anschließend gab es für die Prüfer Bratwurst, „Grumbieresalat“
und schwarz gebrannten Schnaps. Damit waren die drei Herren rundum
zufriedengestellt.
Seit der Gründung der ersten Jugendkapelle Im Jahre 1959, die überregional
mit hervorragenden Leistungen von sich reden machte, betreibt der
Musikverein eine systematische und erfolgreiche Jungmusikerausbildung, seit
20 Jahren in Kooperation mit der Musikschule. Über 100 Jugendliche sind zur
Zeit in Ausbildung. Selbst das Erste Orchester mit seinen über 60 Musikern
ist deshalb so jung wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Und es sei
hinzugefügt: auch so weiblich wie noch nie.
Der Verein verstand es auch,
sich seit Ende der 1970er Jahre ein zeitgemäßes musikalisches Profil zu
geben, indem er Musical, Jazz, Pop, Filmmusik und vor allem auch sinfonische
Blasmusik in sein Repertoire aufnahm. Auch beste räumliche Voraussetzungen
wurden vor 10 Jahren mit einem bestechend schönen und doch funktionalen
Proberaum für eine großes sinfonisches Blasorchester im alten Farrenstall
neben dem Kirrlacher Rathaus geschaffen. Ein Glücksgriff für den Verein war
auch die Partnerschaft mit der Kärntener Trachtenkapelle Flattach, die seit
42 Jahren nicht nur Geselligkeit, sondern auch vielfältige musikalische
Impulse gebracht hat.
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