Auffindung von Grab 108 (Foto: Hormuth)
|
Im Frühjahr 1955 waren dem Forstrevierleiter Franz Schwechheimer beim
Begehen eines tiefgepflügten und frisch bepflanzten Geländes im
Hubwald bei Altlußheim, direkt am Rande der Römerstraße, nordwestlich
von Kirrlach, merkwürdige schwarze Stellen mit verbrannten Knochen und
Gefäßscherben aufgefallen. Da ein angepflügtes Gräberfeld vorzuliegen
schien, führte K. F. Hormuth, ehrenamtlicher Mitarbeiter des
Landesdenkmalamtes in Karlsruhe, erste Ausgrabungen durch. Eine
Flächengrabung war allerdings nicht möglich, da der frisch angelegte
Baumbestand nicht mehr entfernt werden konnte. Somit mußte sich die
Untersuchung nach den parallel verlaufenden Pflanzreihen der Bäumchen
richten. Von 1955 bis 1960 wurden in mühevoller Kleinarbeit - Herr
Hormuth war meist auf sich allein gestellt - ein römisches
Brandgräberfeld und der Fundamentrest eines Gebäudes freigelegt. Die
Grabinventare kamen ins Badische Landesmuseum in Karlsruhe. Seit 1984
unterstützt auf Antrag des Direktors V. Himmelein die Deutsche
Forschungsgemeinschaft die Bearbeitung des Projekts.
Zu Beginn der Untersuchungen stellte sich heraus, dass weder der
Gesamtplan des Gräberfeldes, noch Schnitt- oder Detailzeichnungen
aufzufinden waren. Glücklicherweise lagen noch die handschriftlichen
Grabungstagebücher des Ausgräbers vor. Somit konnte aus Handskizzen
und Maßangaben die Lage der Gräber bis auf wenige Ausnahmen (Grab
3,4,10,18,20,22) rekonstruiert werden (... der Vorsitzende des
Heimatvereins hat eine Kopie der Unterlagen ...). Besonders
interessant ist Grab 108 (Foto), da es als exemplarisch für das
gesamte Gräberfeld gelten kann und doch gleichzeitig mehrere
Besonderheiten aufweist. Gut zu erkennen sind auf dem Bild u. a. die
Grabbeigaben in Form von drei Krügen und einer Lampe.
Das Gräberfeld liegt nördlich vom Kriegbach, westlich der Gabel und
östlich der unter Kaiser Vespasian angelegten Rheintalstraße. An
ihr liegt auch ca. 8 km weiter südlich das Wagbachkastell bei
Wiesental. Die Rheinstraße quert auch die heutige Landstraße zwischen
Wiesental und Kirrlach zwischen den beiden Kirrlacher Kreiseln in der
Nähe des Westerwaldwegs. Dort wurde in den 1990er Jahren auch eine
Abzweigung der Rheinstraße archäologisch gesichert (ein Bild des
lokalen Wegenetzes befindet sich hier im Bericht weiter unten). Reste
dieser bedeutenden Rheinstraße sind auch heute insbesondere im Wald
noch recht gut zu finden, z. B. auf Höhe der Verlängerung der
Kaigartenallee oder in der Nähe des Kreisels bei der Jurastraße.
Die zum Gräberfeld gehörende Siedlung wurde bis jetzt nicht
aufgedeckt. Einzelfunde und die ca. 150 m südlich liegenden
Fundamentreste - möglicherweise einer Getreidedarre (Bild unten) -
lassen darauf schließen, dass sie sich südlich und westlich des
Gräberfeldes entlang der Römerstraße erstreckte. Die Bestattungen
setzen in vespasianischer Zeit ein; die jüngsten Gräber gehören wohl
an das Ende des 2. oder an den Anfang des 3.Jahrhunderts n. Chr. Da
eine Untersuchung derzeit nicht möglich ist, lassen sich keine
gesicherten Aussagen zur Gesamtausdehnung des Gräberfeldes und noch
weniger zu der dazugehörigen Siedlung machen.
Im Laufe der mehrjährigen Grabung wurden 146 FundsteIlen freigelegt,
die trotz ihres teilweise schlechten Erhaltungszustandes insgesamt ein
recht gutes Bild des römischen Gräberfeldes zeigen. Eine Ustrina
(Verbrennungsplatz) oder ein Busturn (Grab und Verbrennungsplatz
zugleich) wurden bis jetzt nicht gefunden. Die Gruben haben meist eine
runde oder ovale Form, mit einem Durchmesser von 30 bis 60 cm,
seltener bis zu einem Meter. Die erhaltene Tiefe schwankt zwischen 40
und 85 cm.
|
Fundamentrest einer beheizbaren Anlage, möglicherweise einer
Getreidedarre (Foto: Hormuth)
Ausschnitt aus Römerstraßen im Kraichgau und im Unterland,
Karl Dettling, Heimatverein Kraichgau,
Sondererveröffentlichung, Bd. 33, 2006 (Foto: KD)
|
Römerstraßen im Kraichgau und im Unterland (Ausschnitt Kirrlach)
Beschreibung der untersuchten Straßenverbindungen (Auswahl):
- Römische Rheinstraße, von Ladenburg-Heidelberg herkommend (Bem:
Heute in weiten Teilen noch leicht im Kirrlacher Gelände zu finden)
- Querstraße/Abzweig südlich von Kirrlach (Bem: Nur vereinzelte
Fundstellen dokumentiert, mehrere Abzweige nachgewiesen, Skizze
teilweise geomantisch)
- Römerkastell Wiesental (Bem: Archäologisch gut dokumentiert)
Aus dem Inhaltsverzeichnis (Auswahl):
- Von Ladenburg zum Kastell Neckarburken
- Von Waghäusel-Kirrlach zum Kastell Wimpfen am Neckar
- Von der Rheinebene (Stettfeld) zum Kastell Heilbronn-Böckingen
- Von Waghäusel-Kirrlach zum Kastell Walheim am Neckar
- Von Stettfeld über den Stromberg zum Kastell Benningen am
Neckar
- Von der Rheinebene bei Kirrlach über Münzesheim, Knittlingen
und Maulbronn bis nach Ensingen (mit Fortsetzung nach Cannstatt)
- Von Ettlingen bis zum Kastell Cannstatt (altbekannter Verlauf)
- Von Pforzheim zum Kastell Heilbronn-Böckingen (Querstraße)
Das römische Brandgräberfeld, die zugehörige bisher noch nicht
gefundene Wohnsiedlung, das Wagbachkastell, sie alle sind über die
Römische Rheinstraße (im Bild Nr. 1) verbunden. Eine Straße, die auch
nach rund 2.000 Jahren noch grundsätzlich existiert. Eine
Meisterleistung der damaligen Straßenbaukunst.
|
|