Der Judenhof Speyer war der zentrale Bezirk des
mittelalterlichen jüdischen Viertels von Speyer und bestand aus der
Synagoge samt Frauenschul, Synagogenhof und Jeschiwa sowie der in
Mitteleuropa ältesten erhaltenen Mikwe, dem rituellen Tauchbad der
Juden. Die Synagoge wurde um 1100 erbaut, die Frauenschul (=
Frauensynagoge) wenig später hinzugefügt. Auch die Mikwe stammt aus
dieser Zeit. Das Gelände wurde nach 1534 nicht mehr genutzt und
verfiel. Die neue Synagoge Speyers an der Maximilianstraße, 1837
erbaut, wurde während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Der Judenhof
mit Frauenschul, alter Synagoge und Mikwe zählt seit 2021 zum
UNESCO-Weltkulturerbe.
Der Judenhof wurde erst 1998/1999 archäologisch erschlossen und
umgestaltet. Das Gelände und das Museum werden vom Verkehrsverein
Speyer verwaltet. Das um das Jahr 1120 errichtete Ritualbad gilt als
die älteste Anlage ihrer Art in Mitteleuropa. Ein gewölbtes
Treppenhaus führt über einen Vorraum zum zehn Meter tief gelegenen
quadratischen Badeschacht. In der sogenannten Mikwe, der hebräische
Name für „Sammelplatz für Wasser“, reinigten sich die Juden nach den
Glaubensgesetzen.
Ein besonderer Bezug zu Kirrlach ergibt sich, wenn man
berücksichtigt, dass die Ansiedlung der jüdischen Händler in Speyer
vom Bischof aktiv betrieben wurde, um über Steuereinnahmen den
imposanten Dombau mit zu finanzieren. Die Händler mussten natürlich
auch den Rhein queren, wobei die Fähre nach Altlußheim eine wichtiger
Routenabschnitt war, um die natürlichen und flachen Talausgänge des
Rheingrabens zu erreichen. Davon gab es vor 1000 Jahre nicht viele,
die auch mit dem Fuhrwerk passierbar waren. Die Route Richtung
Kirrlach und weiter über St. Leon nach Rot dürfte dabei eine sehr
bedeutende Rolle gespielt haben.
Das historische Bad in der Domstadt ist mit romanischen Ornamenten
verziert. Im Mittelalter waren sie farbig gefasst. Nahezu 400 Jahre
lang wurde die Mikwe genutzt, bis die Juden Ende des 15. Jahrhunderts
aus der Stadt vertrieben wurden. Während die mittelalterliche Synagoge
in Speyer am 9. November 1938 in der sogenannten Reichspogromnacht
niedergebrannt wurde, blieb das Judenbad in der Kleinen Pfaffengasse
unbeschädigt. Lange Zeit hatte das Bauwerk ein Schattendasein geführt.
Es war Teil einer „Kleingartenparzelle“ und befindet sich nur 200 m
entfernt vom berühmteren Kaiserdom.
Bei der Vermarktung wollen die SchUM-Verwaltung der Stätten in
Mainz und Worms mit Speyer zusammenarbeiten. Die drei
rheinland-pfälzischen Städte werden SchUM-Städte genannt. Die
Bezeichnung ist ein Kurzwort aus den Anfangsbuchstaben der drei
mittelalterlichen hebräischen Städtenamen. Die SchUM-Stätten umfassen
einzigartige, vorbildgebende Gemeindezentren, Monumente und Friedhöfe.
Es sind herausragende, besonders frühe und in einzigartiger Dichte und
Vollständigkeit erhaltene Zeugnisse einer lebendigen jüdischen
Tradition in dieser Region und darüber hinaus. Die SchUM-Stätten
erzählen vom Verbund der SchUM-Gemeinden im Mittelalter. In ihnen
zeigen sich die bauliche Innovationskraft und die herausragende
Gelehrsamkeit. Hier gab es Schnittpunkte und auch Austausch mit der
nichtjüdischen Umgebungskultur. Hier spiegeln sich die hellsten und
dunkelsten Zeiten jüdischer Geschichte.
Foto: CC BY-SA 3.0
Es waren jüdische Fernhändler aus Italien und Frankreich, die sich
ab dem 10. Jahrhundert in den alten Römerstädten am Oberrhein
niederließen und erste jüdische Gemeinden gründeten. Nach dem
Aussterben des sächsischen Herrschergeschlechts der Ottonen mit dem
Tod des kinderlosen Heinrich II. im Jahr 1024 sowie der Wahl des
Saliers Konrad II. zum neuen König und römisch-deutschen Kaiser
verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches an den Rhein. Die Region
zwischen Speyer und Mainz, in der die Salier ihr Stammgebiet hatten,
blühte auf. Speyer erlebte einen beispiellosen Boom – und vom
politischen wie wirtschaftlichen Aufschwung profitierten auch Juden.
Der Bischof von Speyer und später auch die salischen Kaiser gewährten
ihnen bestimmte Rechte und Privilegien und profitierten im Gegenzug
von ihrer Rolle im lukrativen Fernhandel und den Gewinnen.
Foto: Liebl
Welche Rolle spielte Kirrlach in dieser Zeit?
Leider gibt es keinerlei schriftliche Überlieferungen aus dieser
Zeit für die heutige Ortschaft Kirrlach. Allerdings ist das Digitale
Geländemodell eindeutig. Wer rechtsrheinisch von Speyer kommend
Fernhandel betreiben wollte, der musste die flachen Talausgänge aus
dem Oberrheingraben erreichen. Davon gab es von (Alt)Lußheim kommend
nur zwei: Beim heutigen Leimbach (Wiesloch) und beim heutigen Saalbach
(Bruchsal-Heidelsheim). Schon die Römer nutzen und entwickelten
Fernwege Richtung Bad Wimpfen (Kastell Wimpfen) und Richtung Maulbronn
(und weiter nach Cannstatt), wobei die südliche Route vermutlich keine
Bedeutung für das heutige Kirrlach hatte. Anders sieht es bei der
nördlichen Route aus, die sich „irgendwann“ über St. Leon und eine
Wegekehre bei Kirrlach (beim heutigen Friedhof) entwickelte. Es ist
nach aktueller Auswertung der digitalen Daten die einzige alte
Verbindungsroute zwischen den Siedlungen St. Leon und Lußheim.
Nord-Süd-Routen konnten sich im sumpfigen Rheingraben dagegen nur am
Rande der Rheinebene entwickeln (heutige B3)
Hinweis: Der Heimatverein wird, sobald Corona Geschichte ist, eine
Besichtigung von diesem imposanten Zeugnis der mittelalterlichen
Geschichte für unseren Verein und die interessierte Öffentlichkeit
organisieren.
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