Die Mikwe im Speyerer Judenhof

(Mitteilungsblatt vom 4., 11. und 18. Februar 2022)



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Der Judenhof Speyer war der zentrale Bezirk des mittelalterlichen jüdischen Viertels von Speyer und bestand aus der Synagoge samt Frauenschul, Synagogenhof und Jeschiwa sowie der in Mitteleuropa ältesten erhaltenen Mikwe, dem rituellen Tauchbad der Juden. Die Synagoge wurde um 1100 erbaut, die Frauenschul (= Frauensynagoge) wenig später hinzugefügt. Auch die Mikwe stammt aus dieser Zeit. Das Gelände wurde nach 1534 nicht mehr genutzt und verfiel. Die neue Synagoge Speyers an der Maximilianstraße, 1837 erbaut, wurde während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Der Judenhof mit Frauenschul, alter Synagoge und Mikwe zählt seit 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Der Judenhof wurde erst 1998/1999 archäologisch erschlossen und umgestaltet. Das Gelände und das Museum werden vom Verkehrsverein Speyer verwaltet. Das um das Jahr 1120 errichtete Ritualbad gilt als die älteste Anlage ihrer Art in Mitteleuropa. Ein gewölbtes Treppenhaus führt über einen Vorraum zum zehn Meter tief gelegenen quadratischen Badeschacht. In der sogenannten Mikwe, der hebräische Name für „Sammelplatz für Wasser“, reinigten sich die Juden nach den Glaubensgesetzen.

Ein besonderer Bezug zu Kirrlach ergibt sich, wenn man berücksichtigt, dass die Ansiedlung der jüdischen Händler in Speyer vom Bischof aktiv betrieben wurde, um über Steuereinnahmen den imposanten Dombau mit zu finanzieren. Die Händler mussten natürlich auch den Rhein queren, wobei die Fähre nach Altlußheim eine wichtiger Routenabschnitt war, um die natürlichen und flachen Talausgänge des Rheingrabens zu erreichen. Davon gab es vor 1000 Jahre nicht viele, die auch mit dem Fuhrwerk passierbar waren. Die Route Richtung Kirrlach und weiter über St. Leon nach Rot dürfte dabei eine sehr bedeutende Rolle gespielt haben.

Das historische Bad in der Domstadt ist mit romanischen Ornamenten verziert. Im Mittelalter waren sie farbig gefasst. Nahezu 400 Jahre lang wurde die Mikwe genutzt, bis die Juden Ende des 15. Jahrhunderts aus der Stadt vertrieben wurden. Während die mittelalterliche Synagoge in Speyer am 9. November 1938 in der sogenannten Reichspogromnacht niedergebrannt wurde, blieb das Judenbad in der Kleinen Pfaffengasse unbeschädigt. Lange Zeit hatte das Bauwerk ein Schattendasein geführt. Es war Teil einer „Kleingartenparzelle“ und befindet sich nur 200 m entfernt vom berühmteren Kaiserdom.

Bei der Vermarktung wollen die SchUM-Verwaltung der Stätten in Mainz und Worms mit Speyer zusammenarbeiten. Die drei rheinland-pfälzischen Städte werden SchUM-Städte genannt. Die Bezeichnung ist ein Kurzwort aus den Anfangsbuchstaben der drei mittelalterlichen hebräischen Städtenamen. Die SchUM-Stätten umfassen einzigartige, vorbildgebende Gemeindezentren, Monumente und Friedhöfe. Es sind herausragende, besonders frühe und in einzigartiger Dichte und Vollständigkeit erhaltene Zeugnisse einer lebendigen jüdischen Tradition in dieser Region und darüber hinaus. Die SchUM-Stätten erzählen vom Verbund der SchUM-Gemeinden im Mittelalter. In ihnen zeigen sich die bauliche Innovationskraft und die herausragende Gelehrsamkeit. Hier gab es Schnittpunkte und auch Austausch mit der nichtjüdischen Umgebungskultur. Hier spiegeln sich die hellsten und dunkelsten Zeiten jüdischer Geschichte.


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Es waren jüdische Fernhändler aus Italien und Frankreich, die sich ab dem 10. Jahrhundert in den alten Römerstädten am Oberrhein niederließen und erste jüdische Gemeinden gründeten. Nach dem Aussterben des sächsischen Herrschergeschlechts der Ottonen mit dem Tod des kinderlosen Heinrich II. im Jahr 1024 sowie der Wahl des Saliers Konrad II. zum neuen König und römisch-deutschen Kaiser verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches an den Rhein. Die Region zwischen Speyer und Mainz, in der die Salier ihr Stammgebiet hatten, blühte auf. Speyer erlebte einen beispiellosen Boom – und vom politischen wie wirtschaftlichen Aufschwung profitierten auch Juden. Der Bischof von Speyer und später auch die salischen Kaiser gewährten ihnen bestimmte Rechte und Privilegien und profitierten im Gegenzug von ihrer Rolle im lukrativen Fernhandel und den Gewinnen.


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Welche Rolle spielte Kirrlach in dieser Zeit?

Leider gibt es keinerlei schriftliche Überlieferungen aus dieser Zeit für die heutige Ortschaft Kirrlach. Allerdings ist das Digitale Geländemodell eindeutig. Wer rechtsrheinisch von Speyer kommend Fernhandel betreiben wollte, der musste die flachen Talausgänge aus dem Oberrheingraben erreichen. Davon gab es von (Alt)Lußheim kommend nur zwei: Beim heutigen Leimbach (Wiesloch) und beim heutigen Saalbach (Bruchsal-Heidelsheim). Schon die Römer nutzen und entwickelten Fernwege Richtung Bad Wimpfen (Kastell Wimpfen) und Richtung Maulbronn (und weiter nach Cannstatt), wobei die südliche Route vermutlich keine Bedeutung für das heutige Kirrlach hatte. Anders sieht es bei der nördlichen Route aus, die sich „irgendwann“ über St. Leon und eine Wegekehre bei Kirrlach (beim heutigen Friedhof) entwickelte. Es ist nach aktueller Auswertung der digitalen Daten die einzige alte Verbindungsroute zwischen den Siedlungen St. Leon und Lußheim. Nord-Süd-Routen konnten sich im sumpfigen Rheingraben dagegen nur am Rande der Rheinebene entwickeln (heutige B3)

Hinweis: Der Heimatverein wird, sobald Corona Geschichte ist, eine Besichtigung von diesem imposanten Zeugnis der mittelalterlichen Geschichte für unseren Verein und die interessierte Öffentlichkeit organisieren.